„Nachteile von Wissen gibt es nie“ - Interview mit Büşra Özçelik
Sie jongliert mit Sprachen! Büşra Özçelik zählte 2022 zu den Preistragenden beim ORF-Redewettbewerb „Sag’s Multi“. Damals war sie 17 Jahre alt und begeisterte rhetorisch gleich in zwei Sprachen: Deutsch und Türkisch.
Anlässlich des Europäischen Tags der Sprachen durften wir Büşra zum Interview einladen und waren neugierig: Was sind Ihre Erfahrungen zum Thema Mehrsprachigkeit? Wie hat sie als Schülerin den Erstsprachenunterricht erlebt? Und geht es für sie nun nach der Matura so sprachgewandt weiter?
Interview mit "Sag's Multi"-Preisträgerin Büşra Özçelik
Sie zählen zu den Preistragenden von „Sag’s Multi“. Können Sie beschreiben, um was es in diesem Wettbewerb geht?
„Sag’s Multi“ ist ein mehrsprachiger Redewettbewerb. Man bekommt ein Thema vorgeschrieben und sucht sich dazu ein Unterthema aus. Dann schreibt man eine Rede, die zwischen 5 und 6 Minuten dauert und hält diese in zwei Sprachen. Auf Deutsch und auf einer anderen Sprache, die man sich aussuchen kann.
Klingt ganz schön anspruchsvoll!
Ja, da muss man sich schon hinsetzen und ziemlich lange überlegen, wie man Stellung zu den Themen nehmen möchte und was man äußert.
Beim Wettbewerb haben Sie eine beeindruckende Rede auf Deutsch und Türkisch gehalten. Welche Sprachen zählen Sie zu Ihrem Sprachenrepertoire?
Ich bin mit zwei Sprachen aufgewachsen: Türkisch und Deutsch. Englisch spreche ich auch fließend und in der Schule habe ich auch noch Spanisch gelernt.
Was hat Sie dazu bewegt, sich bei „Sag’s Multi“ anzumelden?
Ich selbst wäre gar nicht auf die Idee kommen, mich da anzumelden. Das war eher mein damaliger Klassenvorstand. Lacht. Er hat gesagt: „Du musst da teilnehmen, das geht nicht anders. Ich sehe dich da drinnen!“
Sie haben im Juni 2024 maturiert. Spielen Sprachen auch jetzt nach der Schulzeit noch eine große Rolle in Ihrem Leben?
Ja, das hat sich nicht verändert. Sprachen sind immer wichtig, egal ob in der Schule oder im Alltag!
Ab Oktober werde ich Publizistik an der Uni Wien studieren. Das hatte ich nie vorgehabt. Aber durch den Wettbewerb bin ich da reingerutscht und habe vorgeschlagen bekommen, dass ich mich in die Richtung orientieren kann, weil das gut passen würde. Und ich dachte mir: Ja, warum nicht?!
Schon Ideen, was Sie danach beruflich machen möchten?
Das ist noch offen, aber ich würde mich gerne in die Richtung Moderation bewegen. Das interessiert mich sehr.
Am Europäischen Tag der Sprachen soll der Sprachenvielfalt Europas eine Bühne geboten werden. Was ist für Sie der größte Vorteil an Mehrsprachigkeit?
Also mehrere Sprachen zu sprechen, das ist was super Tolles. Man kann sich mit anderen Menschen aus verschiedenen Kulturen verständigen. Wenn ich zum Beispiel in Spanien Urlaub mache, dann freue ich mich auch immer, dass ich mit den Einheimischen dort kommunizieren kann.
Gibt es Nachteile?
Nachteile von Wissen gibt es, glaube ich, nie. In gar keinem Bereich. Je mehr man weiß, desto besser ist es für die Person selbst.
Zurück zur Schulzeit: Haben Sie den Erstsprachenunterricht besucht?
Ja, ich hatte mehrere Jahre in der Volksschule Erstsprachenunterricht.
Haben Sie dazu noch Erinnerungen? Wie war die Zeit?
Also es war auf jeden Fall sinnvoll! Ich habe mich immer darauf gefreut, wenn wir diese Stunde gehabt haben. Mitten in der Unterrichtsstunde bin ich dann in eine andere Klasse gegangen mit anderen türkischen Freunden. Wir haben Spiele gespielt und auch vieles über die Geschichte der Türkei gelernt, das ich so niemals lernen würde.
Lesen und schreiben haben die meisten schon von zu Hause aus gekonnt. Dort hat man das vertieft. Man ist dann mehr auf die Grammatik eingegangen und wie man die Ausdrucksweise verbessert. War eine coole Zeit.
Welche Rolle hat die türkische Sprache in Ihrem Elternhaus gespielt?
Für ganz viele Eltern aus meinem Bekanntenkreis ist es sehr wichtig, dass die Kinder die Muttersprache auch wirklich beherrschen können. Wenn ich so überlege, in meinem Umfeld, meine Freunde und meine Verwandten, die können alle perfekt Türkisch. Den Eltern ist es da sehr wichtig, dass die Kinder die Sprache mitlernen und nicht vergessen.
Glauben Sie, hat die Förderung aus dem Elternhaus dazu beigetragen, dass Sie jetzt so sprachinteressiert sind?
Auf jeden Fall, ja.
Was würden Sie Kindern sagen, die am Erstsprachenunterricht teilnehmen?
Ich glaube, die jüngeren Kinder wissen manchmal gar nicht, wie wichtig das ist, eine zusätzliche Sprache zu können. Das merkt man erst im Laufe des Lebens, wie bereichernd das ist, mehrere Sprachen zu beherrschen. Es ist etwas, was nicht jeder kann und was nicht jeder hat. Das ist für uns vielleicht selbstverständlich, mit mehreren Sprachen aufzuwachsen. Für viele andere ist es das nicht.
Gibt es etwas, dass die Lehrer/innen wissen sollten?
Ich finde, dass es nicht immer als positiv betrachtet wird, wenn man sagt „Ich habe eine andere Muttersprache [als Deutsch]“ oder „Ich spreche Türkisch, oder eine andere Sprache.“
Man hört dann manchmal: „Ah, eh nur diese Sprache.“ Das wirkt abwertend und sollte nicht sein. Umso schöner ist es, wenn Lehrkräfte sich in der Schule bemühen, auch diese Sprachen zu fördern. Dass das [der Erstsprachenunterricht] angeboten wird, finde ich persönlich super.
Damals als Kind habe ich diese Möglichkeit auch immer sehr geschätzt! Vielleicht könnte es sogar einmal ein Pflichtfach werden.
Gibt es sonst noch etwas, dass Sie zu diesem Thema gerne sagen möchten?
Ich finde es toll, dass es immer wieder Organisationen und Personen gibt, die sich dafür einsetzen, dass Mehrsprachigkeit gefördert wird. Auch als ich die Erfahrung im ORF gemacht habe, habe ich das sehr bewundert, wie viel Energie und Zeit reingesteckt wird, damit diese Talente gefördert werden. Das ist für mich nicht selbstverständlich.
Als ich da teilgenommen habe, habe ich erst realisiert, dass es sehr viele andere Menschen gibt, die mit mir in derselben Situation sind. Und dass diese Menschen von anderen gefördert werden, das war für mich sowas Schönes. Zu spüren, dass man nicht ignoriert wird, dass man wertgeschätzt wird.
Liebe Frau Özçelik, vielen Dank für das spannende Gespräch und alles Gute für die Zukunft!
Zur Person
Büşra Özçelik ist 19 Jahre alt und lebt in Oberösterreich. Im Juni 2023 hat sie am Gymnasium Werndlpark, Steyer maturiert.
2022 war sie eine der Preisträger/innen beim ORF-Redewettbewerb „Sag’s Multi“.
Ihre Rede aus der Finalrunde finden Sie hier.